Grundsteuer adé oder Die Mär der Glückseligkeit

13.Apr.2018

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Urteil vom 10. April 2018 die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen als unvereinbar mit dem Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) erklärt. Zugleich hat es dem Gesetzgeber aufgegeben, spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen. Faktisch hat es damit die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt, wenn es dem Gesetzgeber nicht gelingt, bis Ende 2019 eine gerechtere Besteuerung des Grundbesitzes (Grundsteuer) zu schaffen.

Dem Einheitswert liegt die Überlegung zugrunde, für Grundstücke und grundstücksähnlichen Rechten einen – dem tatsächlichen Verkehrs- bzw. Marktwert entsprechenden – Wert zu bestimmen, der dann für die Besteuerung und für andere öffentliche Abgaben – einheitlich – zugrunde gelegt wird, so zum Beispiel für die Grundsteuer, die Vermögensteuer, die Erbschaft– und Schenkungssteuer, die Grunderwerbsteuer, die Gewerbesteuer, die Einkommen– und Körperschaftsteuer und die Zweitwohnungssteuer.

Hierfür wurden zum 1. Januar 1935 alle Grundstücke in Deutschland bewertet. Angedacht war zunächst, diese Werte turnusmäßig – beispielsweise durch eine Neubewertung alle 5 Jahre – fortzuschreiben. Allerdings stellte sich heraus, dass die flächendeckende, nicht anlassbezogene Bewertung aller Grundstücke mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden war. Deshalb erfolgte die nächste „turnusmäßige“ Fortschreibung in der Bundesrepublik erst knapp 30 Jahre später, nämlich zum 1. Januar 1964. Dabei blieb es dann auch. In den Bundesländern auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gibt es nicht einmal diese Fortschreibung, so dass heute hier mit Einheitswerten aus dem Jahre 1935 gearbeitet wird. Hinzu kommt, dass für bestimmte Grundstücke kein Einheitswert existiert und dann sogenannte Ersatzwirtschaftswerte zum Ansatz kommen. Dies hat nun dazu geführt, dass für die Einheitsbewertung kaum noch der tatsächlichen Wert zugrunde gelegt wird und nicht selten Unterschiedliches gleich und Gleiches unterschiedlich besteuert wird. Hinzu kommt, dass der Einheitswert an Bedeutung verloren hat, weil für die Besteuerung häufig nicht mehr auf den Einheitswert zurückgegriffen wird, zuletzt lediglich nur noch für die Grundsteuer. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war deshalb im Fachkreis sicherlich keine Überraschung.

Die Finanzverwaltung hat daher schon seit Längerem an einer Reform der Grundsteuer gearbeitet, letztlich konnte man sich bisher jedoch nicht auf eine Neuregelung verständigen. Die südlicheren Ländern favorisierten ein Modell abstrakter Raumbewertung anhand von Grundfläche und Geschosshöhe, so dass quasi der umbaute Raum bzw. die Nutzfläche als Bemessungsgrundlage dienen sollte. Die nördlicheren Ländern prädestinierten dagegen ein Bewertungsmodell, welches sich am Verkehrswert der Immobilie orientierte. Beide Modelle haben ihre Vor- und Nachteile. Thüringen hatte einen Mittelweg vorgeschlagen, bestehend aus dem Bodenrichtwert für den Grund und Boden und einer Bewertungszahl für den umbauten Raum (Gebäude). Die Crux aller Vorschläge waren jedoch die sich widerstreitenden Vorgaben der Politik, nämlich dass einerseits die Neuregelung zu keinen Steuerausfällen führen sollten und Mieter und Einfamilienhausbesitzer nicht wesentlich mehr an Grundsteuer zahlen sollten als bisher. Man wollte es allen recht machen. Gerade diese beiden Vorgaben, die sich eigentlich nicht vereinen lassen, haben letztlich auch immer zum Scheitern der Einigungsversuche geführt. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb der Politik eine Gnadenfrist eingeräumt, sich auf einen der bereits bestehenden, durchaus brauchbaren Ansätze für eine Neuregelung zu einigen. Allerdings muss sich die Politik hierbei wohl von einer der Vorgaben verabschieden. In Zeiten steigender Steuereinnahmen dürfe ein Weg wohl nur darüber führen, dass Städte und Gemeinden anfänglich auf Einnahmen verzichten müssen und der Bund und die Länder diesen Ausfall anderweitig kompensieren.