Wird der Gewinn im Wegen des Überschusses der Einnahmen über die Ausgaben ermittelt, dann sind Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, indem sie geleistet worden, mithin gezahlt worden sind. Hiervon sieht § 11 EStG eine Ausnahme vor, nämlich für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen bzw. Ausgaben, die kurze Zeit vor bzw. nach Jahreswechsel zugeflossen oder abgeflossen sind. Als „kurze Zeit“ wird hierbei ein 10-Tage-Zeitraum angesehen.
Die auf den ersten Blick relativ einfach erscheinende Gesetzesbestimmung ist in der Praxis wegen der vielen Spezifikationen kompliziert geworden. Der Zweck, den diese Vorschrift erreichen wollte, nämlich zufällige Verschiebungen von Zahlung zu vermeiden, ist durch die Ansichten in Rechtsprechung und Finanzverwaltung zum Teil ad absurdum geführt worden.
Der häufigste Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 EStG sind die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für den Monat November bzw. Dezember, die im Januar des Folgejahres an das Finanzamt gezahlt werden. So wurde von der Finanzverwaltung auf Basis der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG voraussetze, dass innerhalb des 10-Tages-Zeitraumes nicht nur die Zahlung geleistet werde, sondern diese auch innerhalb dieses Zeitraumes fällig sei. Falle nun der 10. Januar auf einen Samstag oder Sonntag, dann verlängere sich die Abgabefrist der Umsatzsteuer-Voranmeldung auf den nächsten Montag und die Umsatzsteuer-Vorauszahlung sei nicht mehr in dem 10-Tages-Zeitraum fällig.
Der BFH hat nun mit Urteil vom 27. Juni 2018 X R 44/16 entschieden, dass eine Verlängerung der Abgabefrist nach § 108 der Abgabenordnung (AO), weil das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag ende, keine Auswirkungen auf den 10-Tages-Zeitraum entfalte.
Im Streitfall hatte die Klägerin die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2014 am 8.1.2015 geleistet und diese Zahlung schließlich als Betriebsausgabe des Jahres 2014 geltend gemacht. Das FA meinte demgegenüber, § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sei im betreffenden Fall nicht anzuwenden. Die Klägerin hätte zwar innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums geleistet, die Umsatzsteuervorauszahlung müsste aber auch innerhalb dieses Zeitraums fällig gewesen sein. Daran fehle es, weil die Vorauszahlung wegen § 108 Abs. 3 AO nicht am Sonnabend, dem 10. Januar 2015, sondern erst an dem folgenden Montag, dem 12. Januar 2015 und damit außerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums fällig geworden sei. Das Finanzgericht gab der Klage der Klägerin statt und der BFH bestätigte schließlich das Urteil auch im Revisionsverfahren, welches die Finanzverwaltung angestrebt hatte.
Der BFH rühmt sich nun der Erleichterung der Rechtslage, siehe Pressemitteilung Nr. 54/2018 vom 24. Oktober 2018, tatsächlich dürfte die Handhabung von § 11 EStG schwieriger geworden sein. Bei Zahlungen durch den Steuerpflichtigen dürfte nun auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Zahlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung abzustellen sein. Beim Einzug der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen durch das Finanzamt (Lastschrift) dürfte dagegen wieder darauf abzustellen sein, wann die Voranmeldung fällig war.